Zusammenfassung des EIP Projektes der Operationellen Gruppe (OG) „Grünland und Tiergesundheit Eifel“ von Rudolf Leifert, landwirtschaftlicher Berater, Initiator und Leadpartner des Projektes.
Unter dem Arbeitstitel:
„Optimierung des Dauergrünlands, der Weidewirtschaft, des mehrjährigen Ackerfutterbaus und der Futterkonservierung, zur nachhaltigen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Tiergesundheit, Wertschöpfung und Umweltverträglichkeit der Milchviehhaltung in der Grünlandregion Eifel“
wurde in der Grünlandregion Eifel in den Jahren 2017 und 2018 auf vier Betrieben die gesamte Wirkungskette der Milcherzeugung über Grundnährstoffversorgung, Zusammensetzung und Ertrag des Grünlands, der Qualität der erzeugten Grassilagen, der Rationsgestaltung und der daraus resultierenden Milchproduktion und Tiergesundheit beobachtet.
Der Endbericht wurde im Januar 2022 veröffentlicht.
Die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette vom mehrjährigem Futterbau und des Dauergrünlands über die Weidewirtschaft und die Futterkonservierung bis hin zur Leistung und Tiergesundheit der Milchviehherden ist die Grundlage für eine nachhaltige Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Milchviehhaltung. In einem interdisziplinären Ansatz haben Akteure aus der Praxis, der Beratung. der Forschung und der Tiermedizin ihre Untersuchungen miteinander in Beziehung gesetzt, um die Wertschöpfung und die Umweltverträglichkeit der Milchviehhaltung zu optimieren.
Die vier Projektbetriebe (A,B,C und D), halten insgesamt 1200 Milchkühe, die Herdengrößen liegen zwischen 70 Kühen (Betrieb B), 250 Kühen (Betriebe A und C) und 600 Kühen (Betrieb D) der Rasse schwarzbunte Holstein-Friesen. Bei allen vier Betrieben handelt es sich um Gemischtbetriebe mit vergleichbarer Flächenausstattung und Grundfuttererzeugung bestehend aus Grassilage (60-70%) und Maissilage (30-40%). Die Betriebe A und B betreiben Weidehaltung, die Betriebe C und D eine ganzjährige Stallhaltung.
Die Grundlage für die einheitliche Datenerhebung in den Projektbetrieben bildete die Einführung und Installation des HERDE Managementprogrammes von der dsp-Agrosoft GmbH, eines Softwaresystems für das Management von Rinderbeständen.
Die Ernte und Produktion der Silagen erfolgt bei den Betrieben A, C und D teilweise durch Lohnunternehmen in Fahrsiloanlagen. Im Betrieb B werden die Silagen mit eigener Erntekette in Hochsilos mit Obenentnahmetechnik bereitet.
Die beiden Jahre 2017 und 2018 waren tendenziell trockene Jahre. Im Jahr 2017 waren vier Schnitte möglich, im Jahr 2018 teils nur drei Schnitte. Bei den durchgeführten Analysen der Silagen standen vor allem die bisher nur wenig berücksichtigten biogenen Amine sowie die Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) im Fokus.
In dieser Studie wurde die Zusammensetzung des Grünlands nach Klapp und Stählin bewertet, zum Schnittzeitpunkt wurden auf 5 Parzellen je Betrieb mittels Presssaftanalyse der Nitrat-, Ammonium- und Gesamtzuckergehalt und durch Wiegeproben der Ertrag festgestellt.
Die Grassilagen wurden auf folgende Parameter analysiert:
- Futterwert Wender Analyse (VDLUFA-Methodenbuch Band III)
- Mineralstoffe (VDLUFA-Methodenbuch Band III)
- Gärsäuren (VDLUFA-Methodenbuch Band III / Handbuch Futtermittelprüfung)
- Alkohole (VDLUFA-Methodenbuch Band III)
- Mikrobiologie (SAA 7-4, BU/ SAA 7-15, MU)
- Biogene Amine und Gamma-aminobuttersäure GABA (BA; Czech J. Food Sci. Vol.21 / LC-FLD)
- Chemische Fraktionierung des Rohproteins
Maissilagen
Zur genauen Rationsberechnung und zur Abschätzung der Mykotoxin-Belastung wurden die auf den Betrieben erzeugten Maissilagen ebenfalls beprobt.
Folgende Parameter wurden ermittelt:
- Futterwert (Nahinfrarotspektroskopie NIRS)
- Gärsäuren (NIRS)
- Mykotoxine
– Deoxynivalenol (DON) (ELISA nach Food-PA 721)
– Zearalenon (ZEA) (ELISA nach Food-PA 721)
– Aflatoxine (DIN EN ISO 17375)
Über den gesamten Beobachtungszeitraum wurde die Milchleistung der Herden über die Milchleistungsprüfung (MLP) erfasst, die Tiergesundheit über regelmäßige Blutanalysen von definierten Leber- und Stoffwechselparametern, Dokumentation der Klauenbehandlungen und monatliche Bonitierung der Herden mit Lahmheitsdiagnose (LCS) und Body Condition Score (BCS).
So konnten die zeitlichen Verläufe der Fütterung der Silagen mit den Verläufen der Milchleistungsprüfung (MLP) und der Tiergesundheit in Beziehung gesetzt und statistisch untersucht werden.
Die Grünlanduntersuchung zeigte einen niedrigen Leguminosenanteil und eine starke Graslastigkeit der Pflanzenbestände. Anhand der Presssaftanalysen, die für die fünf Beobachtungsparzellen je Betrieb durchgeführt wurden, konnten alle Flächen und Schnitte als geeignet für die Silierung bewertet werden.
Die Maissilagen waren auf allen Betrieben von guter und sehr homogener Qualität, sodass diese für die weiteren Betrachtungen außen vor blieben. Bei der Futterkonservierung zeigte sich deutlich, dass neben dem optimalen Schnittzeitpunkt der Verschmutzungsgrad und der Trockenmassegehalt für die Qualität der erzeugten Grassilagen maßgeblich ist.
Hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe zeigen die Grassilagen signifikante Unterschiede zwischen den Betrieben und zwischen den Schnitten. Die Grassilagen von Betrieb A und B weisen laut der Laborbefunde eine gute Qualität auf und auch jene der Betriebe C und D sind, auch bei geringerer Qualität, ohne Einschränkungen für die Fütterung empfohlen. Die Grassilagen der vier Betriebe wurden unter den üblichen Qualitätskriterien alle als gut bzw. sehr gut eingestuft. Die BA-Gehalte lagen mit 8-13 g / kg TM für die Betriebe C und D deutlich über dem bisher empfohlenen Grenzwert von 5 g / kg TM für die Summe aller BA.
Bemerkenswert ist, dass die Fütterung von Rationen mit hohen Gehalten an biogenen Aminen die Milchleistung nicht beeinflusste. Dagegen unterlagen die Zellzahlen einer Veränderung bei Umstellung der Silagen in den Rationen.
Ebenso lassen sich die höheren Anteile nicht optimal konditionierter Tiere auf die Fütterungsumstellung zurückführen, einhergehend mit einer schlechteren Klauengesundheit und höheren Lahmheitsgraden gemäß LCS.
Die Betriebe A und B mit den geringsten BA-Gehalten in den Grassilagen hoben sich sowohl hinsichtlich der Klauengesundheit, der Entwicklung des LCS als auch der Häufung infektiöser und stoffwechselbedingter Klauenkrankheiten deutlich positiv von den anderen beiden Betrieben ab. Diese Betriebe zeigten maximal 30 g/Kuh/d BA in der Ration. Betriebe mit Problemen in der Tiergesundheit hingegen zeigten eine BA-Aufnahme von bis zu 100 g/Kuh/d.
Auch für die Leberwerte zeigte sich ein signifikant größerer Anteil an auffälligen bzw. klinisch auffälligen Tieren bei Betrieben mit minderer Silagequalität und hohen BA-Gehalten in der Ration. Ein Zusammenhang zwischen den Rationen und der MLP sowie der Eutergesundheit ließ sich nur für Betrieb A mit einer höheren zeitlichen Auflösung der Daten und zusätzlich erhobenen Parameter herstellen.
Für die Aufnahme von GABA existieren bisher keine Kennzahlen für die maximale Tagesaufnahme, da u.a. die Wirkungsweise beim Wiederkäuer noch ungeklärt ist. Zudem zeichnet sich auch in dieser Studie kein klarer Zusammenhang zwischen GABA in den Fütterungsrationen und der Milchleistung bzw. der Tiergesundheit ab.
Bei den monatlichen Betriebsbesuchen des Autors mit BCS und LCS Scoring in den Betrieben fiel auf, dass nach Umstellung der Fütterung auf Rationen mit erhöhten Gehalte an biogenen Aminen innerhalb kurzer Zeit vermehrt Tiere mit klebrigen Kotverschmutzungen im Bereich des Schwanzansatzes und der Sitzbeinhöcker zu beobachten sind. Die betroffenen Tiere zeigen in der Folge häufig vermehrt Stoffwechselstörungen, starken Verlust an Körpersubstanz und zunehmende Klauenprobleme, vor allem mit Dermatitis Digitalis. Diese Beobachtung legt den Verdacht nahe, dass die BA negative Auswirkungen auf die Darmfunktion und die Darmgesundheit haben. Dieser Zusammenhang sollte in weiteren Studien näher untersucht werden.
Die Studie unterstreicht, dass die ganzheitliche Betrachtung vom Grünland über die Futterkonservierung, der Rationsgestaltung bis hin zur Tiergesundheit und der Milchproduktion Aufschluss über die Wirkungszusammenhänge gibt. Auch wenn für die Bestimmung präziser Grenzwerte für BA und GABA Fütterungsversuche unter standardisierten Bedingungen notwendig sind, so können für die Praxis, die Wissenschaft und für die Agrarpolitik doch Handlungsempfehlungen entlang dieser Wirkungskette gegeben werden, die gemeinsam zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Milchviehhaltung führen.
Diese Studie hat über den Untersuchungszeitraum von zwei Jahren gezeigt, dass eine ganzheitliche Studie mit einem interdisziplinären Ansatz helfen kann, komplexe Problemstellungen wie die Faktorenkrankheiten anzugehen und Lösungsansätze aufzuzeigen.
Aus dieser Studie ergeben sich folgende Empfehlungen und Lösungsansätze für die Praxis:
- vielfältigen Grünlandbeständen mit hochwertigen Futterpflanzen bilden die Grundlage für hohe Erträge bei guter Futterqualität. Diese Bestände verfügen über eine deutlich höhere Ernteelastizität. Dies erleichtert die Findung eines optimalen Schnittzeitpunktes bei entsprechender Witterung.
- Presssaftanalysen können zur Bestimmung des optimalen Schnittzeitpunktes eingesetzt werden.
- geringen BA- und GABA-Gehalten können nur durch die Sicherstellung einer konsequenten Futterhygiene, sauberes Erntegut und TM Gehalte >35% erzielt werden. Dies kann vor allem durch einfache Maßnahmen wie Einstellung der Schnitthöhe, konsequente Beseitigung von Wild- und anderen Narbenschäden und Ernte bei trockenen Böden erreicht werden.
- Bei Auftreten von Faktorenkrankheiten und den beschriebenen klebrigen Kotverschmutzungen an Schwanz und Sitzbeinhöckern in der Herde, die Grassilagen auf BA untersuchen lassen.
- Eventuell Minimierung der BA- und GABA-Gehalte in den Futterrationen durch verschneiden der Silagen.
- Vermeidung der Aufnahme von BA und GABA durch Weidegang, da bei Frischgrasfütterung keine Aufnahme der Substanzen gegeben ist.
- In Fahrsiloanlagen kann der TM Gehalt der Silagen kaum über 40% TM gesteigert werden, da dann Probleme mit Fehl- und Nachgärungen bei der Bereitung, Verdichtung und Entnahme entstehen können. Hier bieten Hochsiloanlagen (s. Betrieb B) und die Futterkonservierung als Heu in solarunterstützten Unterdachtrocknungsanlagen mit Entfeuchtertechnik eine sinnvolle Alternative.
Aus dieser Studie ergeben sich folgende Empfehlungen und Lösungsansätze für die landwirtschaftlichen Wissenschaftsbereiche in Zusammenarbeit mit den Veterinärmedizinischen Fakultäten:
- Zukünftige Forschungsprojekte sollten konsequent an der Bearbeitung der praxisrelevanten Problemstellungen der nachhaltigen Nährstoffversorgung und der Gesunderhaltung von Nutzpflanzen und Nutztieren ausgerichtet werden. Nur auf der Grundlage gesunder Böden mit gesunden Pflanzenbeständen können Gesunde Futter- und Lebensmittel nachhaltig erzeugt werden.
- Diese Fragestellungen lassen sich nur in interdisziplinären Betrachtungen und Untersuchungen unter Einbeziehung der Praxis bearbeiten.
- In der disziplinären Grundlagenforschung müssen auftretende Fragestellungen aus der Interdisziplinären Betrachtung unter Beachtung der ganzheitlichen Koordination der beteiligten Fakultäten Zielgerichtet bearbeitet werden. Als Beispiele bieten sich
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- Die Frage der Phosphorversorgung der Böden und die Auswirkungen auf das Bodenleben, die Frage der Phosphorversorgung für die Pflanzengesundheit und Samenqualität und die Auswirkungen der Phosphorversorgung für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Nutztiere.
- Die Frage nach den Auswirkungen der Vielfalt des Bodenlebens und der Bodengesundheit auf die Aktivität und Toxizität der bodengebundenen, biogene Amine bildenden Clostridien und somit auf die Futterqualität und Tiergesundheit.
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- Die Komplexen Zusammenhänge der natürlichen Wirkungsketten lassen sich nur in komplexen Wissenschaftlichen Forschungsansätzen untersuchen.
Aus dieser Studie ergeben sich folgende Empfehlungen und Lösungsansätze für die Agrarpolitik:
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- Fast zweidrittel unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche in Europa besteht aus bedingten Grünlandflächen, die wir nur mit Hilfe des Wiederkäuers als Lebensmittelquelle nutzen können. Die aktuelle weltweite Entwicklung der Agrarmärkte zwingt uns, die Grundlagen unserer nachhaltigen Lebensmittelversorgung neu zu betrachten. Wir können nicht auf die Nutzung der Grünlandflächen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Proteinversorgung, verzichten. Daher ist die Milcherzeugung auf der Grundlage der Grasfütterung vom Grünland nach wie vor eine ökologisch nachhaltige, unter dem Gesichtspunkt der Lebensmittelsicherheit unverzichtbare Basis unserer Versorgung.
- Die Milcherzeugung vom Grünland muss daher einen ihrer Bedeutung für die Lebensmittelversorgung angemessenen Stellenwert in der Agrarpolitik bekommen.
- Die Studie zeigt den dringenden Handlungsbedarf bei der Klärung und der Optimierung der Zusammenhänge zwischen Grünlandbewirtschaftung und Milchviehhaltung mit Leistungsfähigkeit und Tiergesundheit.
- Dringend Notwendige Maßnahmen sind,
- Förderung von ganzheitlichen Ansätzen in Wissenschaft und Forschung.
- Neuordnung der nachhaltigen Förderung und Nutzbarkeit der Grünlandflächen für die Milcherzeugung unter Beachtung der ökologischen Zusammenhänge der Flächennutzung, des Wasserschutzes und der Bedeutung für den Arten- und Klimaschutz.
- Überarbeitung der Richtlinien zur Förderung von Baumaßnahmen im Rahmen der Einzelbetrieblichen Förderung. Hier müssen die Gesichtspunkte der flächenabhängigen Grundfutterversorgung aus Grünland stärker berücksichtigt werden.
- Es müssen nachhaltige Konservierungsverfahren wie Hochsilos und Heubereitungsanlagen verstärkt berücksichtigt werden. Dies würde durch die Wirtschaftlichkeit der Betriebe verbessern und Umweltprobleme in Verbindung mit Fahrsiloanlage (Folienverbrauch, Sickersäften, Futterverlust durch Fehlgärungsprozesse) und Ballensilagen (Folienverbrauch, Verluste durch Folienschäden usw.) vermeiden.