Im Rahmen eines eintägigen Seminars „Fruchtbarkeit beim Milchrind“ in Theorie und Praxis am 23. April 2013 unter Leitung von Herrn Rudolf Leifert in Birgel/Eifel stellte Dr. Siegfried Kalchreuter/Bayern die Bedeutung des Phosphors für das Fruchtbarkeitsgeschehen in den Mittelpunkt seines Referates.
Unter guter fachlicher Praxis ist auch die Einhaltung der Harmonie Boden-Pflanze- Tier zu verstehen. Ausgangspunkt des landwirtschaftlichen Betriebes ist und bleibt der Boden mit entsprechender Pflege. Ein mit Mineralstoffen gut versorgter Boden ist auf lange Sicht die wichtigste Voraussetzung für eine gesunde und leistungsfähige Milchviehhaltung – „Boden und Düngung machen das Tier“.
Unsere Großväter/ Väter wussten um die Bedeutung der segensreichen jährlichen Düngung mit Thomasmehl. Doch sollte heutzutage die Verteuerung der weltweit immer knapper werdenden Phosphorvorkommen nicht zu Lasten der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Nutztiere gehen, denn Phosphor (P) ist nun mal mit der wichtigste Leitmineralstoff. Er hat eine entscheidende Funktion für die generative Phase. So fördert er im Getreide die Blühfreudigkeit, den Korn- und Fruchtansatz, die Widerstandskraft gegen Krankheiten und Streßsituationen wie Hitze, Kälte und Nässe. Halmstabilität und Inhaltsstoffe des Erntegutes werden ebenfalls vom P positiv beeinflusst. Übertragen auf das Rind bedeutet dies deutliche Brunstsymptome, rechtzeitiger Follikelsprung, erfolgreiche Befruchtung, ungestörte embryonale Entwicklung, stabile Skelett- und Knochenentwicklung, Leistungsfähigkeit, Gesundheit, ausgeprägte Immunität und Langlebigkeit. P nimmt also eine zentrale Stellung im gesamten Stoffwechsel ein.
P- Mangel beeinträchtigt die Aktivität der Pansenmikroben und vermindert deren Syntheseleistung (Mikrobeneiweiß, Vit. B-Produktion). Folglich geht die Futteraufnahme mit zunehmendem Energiedefizit zurück. Fett- und Eiweiß-prozente in der Milch fallen, Fruchtbarkeitsprobleme nehmen zu.
Trockenstehzeit
Energiearme Rationen mit viel Struktur zur Vermeidung einer Verfettung (BCS-Kontrolle !) wegen des Risikos einer Ketose nach dem Abkalben sind meist P-arm und bedürfen einer entsprechenden P-Ergänzung (Trockensteher- Mineral-futter mit 8-10% P bzw. mit 12% P bei Ca- betontem Grundfutter wie Kleegras oder Luzerne). Phosphorsäure als Anion wirkt vorbeugend gegen das gefürchtete Festliegen (Milchfieber, Hypokalzämie) um bzw. nach dem Abkalben. Beispielsweise haben unsere Großväter dieses Problem mit der Zufütterung von Weizenkleie (P- reich) gelöst. Besondere Bedeutung hat die P-Versorgung in der Vorbereitungsfütterung (Transitphase), da P die Vitalität der Tiere steigert und die Grundfutteraufnahme fördert. Generell ist P- reiches Grundfutter schmack-hafter und wird lieber gefressen – ein Appell an die Düngungspraktiken (Boden-untersuchungsergebnisse!) und die Notwendigkeit der Futteranalyse (möglichst 3,8-4,2 g P/kg TM Gesamtration).
Es muß das Ziel sein, dass die Tiere gestärkt abkalben und mit Durchsetzungskraft in die Laktation kommen. Dies ist besonders wichtig für Färsen, die sich einerseits als Neulinge in der Kuhherde (Laufstall) eingewöhnen müssen und sich andererseits in einer Konkurrenzsituation von Wachsen, Milchproduktion und Fruchtbarwerden befinden. Diagnostisch hat es sich bewährt, von Zeit zu Zeit 3 Wochen vor dem Abkalben die P-Versorgung übers Blut festzustellen (Soll: 6,5-7,5 mg P/dl bzw.2.2-2.5 mmol P/l Blut). Um bei Bedarf kurzfristig den P-Blutspiegel anzuheben, werden verschiedene Präparate wie Boli, Pills, Eingabeflaschen angewandt. Eine der effektivsten P-Verbindung ist das Mononatriumphosphat als Pulver oder Bolus, das zudem bei ketotische Stoffwechselsituationen entlastend wirkt.
Besonders wichtig bleibt nach wie vor die Versorgung mit bestem Raufutter (Heu) zur Aufrechterhaltung der Pansenaktivität, des Wiederkauens mit genügend Speichelbildung, damit der Phosphor wie auch die Spurenelemente bei einem Pansen- pH- Wert von ca. 6,5 optimal verwertet werden können.
Frischkalbezeit
Mit der Bildung der Kolostralmilch wird dem Organismus rel. viel Kalzium entzogen, da die Biestmilch mehr Ca enthält als die normale Milch. Vitamin D3-Injektion, Ca-Boli, Ca/P-Eingabeflasche kommen in der Praxis als Vorbeuge gegen das Milchfieber zum Einsatz. Ein Mineralfutter für laktierende Kühe mit 16-18% Ca und 6-8% P ist empfehlenswert. Auch in der frischlaktierenden Zeit (3 Wochen nach dem Abkalben) empfiehlt es sich die Blutuntersuchung als diagnostisches Hilfsmittel anzuwenden. Die Soll-Werte sind dann 6,0-6,5 mg P/dl bzw. 2.0-2,2 mmol P/l Blut – eine Orientierung, um der Versuchung einer zu geringen P-Versorgung vorzubeugen. Denn besonders in diesem Laktationsabschnitt ist auf Aktivität der Tiere mit Freßlust und eine problemlose Nachgeburtsphase (Puerperium) zu achten, da sie mit der Milchleistung einen erhöhten Mineralstoff- output haben. In Ställen mit automatischem Melksystem ist die Aktivität der Kuhherde bei gutem Fußwerk Voraussetzung für eine erfolgreiche Milchviehhaltung.
P-Mangelsymptome
Erste Anzeichen von P-Mangel zeigen sich in Form von fadenziehendem, glasklarem Nasensekret, da die Lunge beim Rind anfälliger ist als z.B. beim Pferd. Da der gesamte Energiehaushalt quasi über den Phosphor (ATP-Spiegel) abläuft, zeigen die Tiere bei P-Mangel Müdigkeitserscheinungen und liegen viel, was sich negativ auf die Eutergesundheit mit erhöhter Milchzellzahl auswirkt. Dann müssen immer mehr Kühe in den Melkstand getrieben werden, was im Melkroboterbetrieb nicht sein darf! Die Tier bewegen sich vorsichtig und ängstlich, sind leicht schreckhaft. Typisch ist im Stehen das abwechselnde Schonen der Hinterbeine (Trippeln). Auch fressen sie weniger, haben eingefallene Hungergruben und entwickeln eine ausgeprägte Lecksucht. Beim Fressen sind sie sehr wählerisch mit auffälligem Herumsuchen im Futter-barren nach feinen Futterbestandteilen. Das Haarkleid wird glanzlos, rau und struppig. Die Tiere pflegen und säubern sich weniger, die Hinterhand ist mit Kot beschmutzt, da sie zunehmend dünn abkoten. Festzustellen ist auch eine leichte Tendenz zur Untertemperatur um 38°C.
P-Mangel äußert sich auch im Umrindern trotz deutlicher Brunstsymptome und normalen Brunstzyklen, da zum rechtzeitigen Eiblasensprung neben leicht ver-fügbarer Energie (Glukose) auch genügend P im Follikel sein muß.
Besteht ein längerer P-Mangel, dann wird zugunsten der Milchproduktion das Skelett ab- und umgebaut: Sprunggelenksverdickung (Abb.3) und Fersenauftreibungen (Abb.4), Einschmelzung z.B. eines Hüftbeinhöckers (Abb.5), Bruch des Rückgrades (Abb.6) und Knochenweiche (Abb.7). Die Tiere „verzehren“ sich buchstäblich und fallen durch Stellungsanomalien (Abb.8) auf. Weiche Klauensohlen, schlechter Klauenschluß, Entzündungen im Zwischenklauenbereich werden ebenfalls beobachtet. Wegen Klauenschmerzen verharren sie kniend rel. lange auf dem Karpalgelenk (Abb.9), bevor sie sich aufrichten. Sie lahmen und verlieren auffallend viel Gewicht. Immer wieder kommt das sog. atypische Festliegen vor, bei dem sich die Tiere in der Hinterhand nicht auf-richten können, jedoch bei vollem Bewusstsein sind und auch fressen. Im Zu-sammenhang mit P-Mangel lässt sich auch so manche Nachgeburtsverhaltung (Abb.10) erklären.
Kälber von P-Mangel-Kühen zeigen Immunitätsschwäche, neigen zu Neugeborenendurchfall und Atemwegserkrankungen.
Dr. Siegfried Kalchreuter
Sachsen b. Ansbach, den 17.06.2013
Wiedergabe auf rudolf-leifert.de mit freundlicher Genehmigung